|  | Chema Alvargonzalez’s
              profile places light at the centre of his search, both natural
              and artificial light. In his photographic images, as well as in
              the suggestive
              installations which he achieves, light shapes space, at the same
              time revealing its value which is full of meaning. His favourite
              themes are architectural and landscape visions, both urban and
              those of nature. In some cases, they are people, captured in moments
              of
              spontaneity. Whet is important is the underlying conceptual meaning,
              a meaning which generally inspires the artist to choose the image
              to represent.
 1960 Born in Jerez de la Frontera, Spain. Works and lives in Berlin
              and Barcelona.
 Education: 1989-93 Masters degree in Multimedia, Hochschule der
              Künste,
              Berlin. 1985-88 Contemporary image process (multimedia) and studies
          in painting, Escola Massana, Barcelona.
   Gespräch
            zwischen Chema Alvargonzalez und Stefano Gualdi English ¦ SpanishArbeitsprozess Stefano Gualdi Eine gute Methode, um das Werk eines Künstlers
          zu verstehen, ist, ihn bei der Arbeit zu beobachten, während er
          seine Eingebungen und Ideen von einer Sprachebene in die andere übersetzt.
 In dieser Phase werden ausreichend theoretische Konzepte und formale
          Lösungen formuliert, die die Absichten des Künstlers verraten.
          In Deinem Fall zum Beispiel habe ich während der Vorbereitung
          Deiner Einzelausstellung bei Artinprogress in Berlin bemerkt, dass
          Du den ursprünglichen Entwurf Deines Projektes spürbar verändert,
          d.h. auf den Raum und das für Dich ungewohnte Arbeitsmaterial
          abgestimmt hast. Kannst Du mir etwas über Deine Arbeitsweise erzählen?
 Chema Alvargonzalez Sie ist zunächst intuitiv. Die Intuition ist
          wie ein Licht, das bis dahin unbekannte, dunkle Pfade erhellt. Durch
          die Intuition erscheint die Idee, die mich auf eine bestimmte Situation
          reagieren lässt. Das ist das Wichtigste, da es mit dem Verborgenen,
          dem in mir Unbekannten verknüpft ist, und die Bilder, die ich
          mir vorstelle, wie von selbst fließen können. Verschiedene
          Elemente kommen hier zusammen, der Klang, die Bewegung, konkrete Formen,
          die ein Eigenleben haben, die ihren Rhythmus durch Lichtwechsel bestimmen.
 Gleichzeitig spielt aber auch die ratio eine Rolle; sie verhilft mir
          dazu, die durch Intuition hervorgerufenen ’Geistesblitze’ auszuwählen
          und sie später im Werk zu verwirklichen. Diese zweite Arbeitsphase
          ist auch von Literatur, Philosophie und dem Kino geprägt. Sie
          offenbaren sich in der Art und Weise, in der ich mein Wissen ordne
          und über unsere Welt nachdenke.
 Verhältnis zur ReiseS.G. In Deinen Arbeiten taucht von Beginn an das Thema der Reise
              auf, in Form von Wolken, Autobahnen, Koffern und Flughäfen.
              Was bedeutet die Reise für Dich? Vor einer zwar ruhigen, aber
              oberflächlichen Wirklichkeit zu fliehen, um sich auf den Weg
              der Selbsterkenntnis machen, wie bei Wenders und Salvatores? Oder
              verstehst Du das Unbekannte und das Abenteuer eher im literarischen
              Sinne?
 C.A. Der Koffer, die Reise und das Flugzeug sind Dinge, die sich auf
            die ständige Verwandlung des Menschen beziehen, auf die Dekonstruktion
            der Grenzen in der Philosophie.
 Die Idee des KreisesS.G. In vielen Deiner Collagen und zuletzt auch in den digitalen Photoarbeiten
              umgrenzt Du Teile des Bildes mit Kreisformen, was überraschende
              symbolische Beziehungen zwischen den Gegenständen und den
              unterschiedlichen Teilen ein und desselben Photos schafft.
 C.A. Der Gebrauch des Kreises hat keine inhaltliche Bedeutung, er ist
            rein formal. Er stellt eine Möglichkeit dar, Räume im Bild
            zu begrenzen und zu teilen, eine Möglichkeit, Welten zu versetzen
            und sie miteinander zu verbinden.
 Auseinadersetzung mit dem KlangS.G. In mehreren Installationen hast Du - zumeist selbst - soundtracks
              für das jeweilige Bild entwickelt. Was interessiert Dich am
              meisten daran: die Reaktion des Betrachters oder aber die Möglichkeit,
              Werke mittels unterschiedlicher Medien darzustellen?
 C.A. Meine Beziehung zum Klang rührt vom Kino her. Bereits während
            meiner Kindheit lernte ich, die Welt durch das Kino- und Fernsehbild
            zu sehen, was bedeutet, dass ich die Formen, die ich mir vorstelle,
            mit einem spezifischen Klang assoziiere. Meiner Meinung nach haben
            alle Formen einen passenden Klang, und sei es die absolute Stille.
            Unentwegt suche und finde ich Musik, die ich verändere und auf
            mein Werk zuschneide. Selbst meine Arbeiten im offenen Raum haben
            einen soundtrack, zuweilen auch die Geräusche ihrer Umgebung.
            Ich laufe gern um die Arbeiten herum und beobachte, wie sie sich
            im Lauf des Tages, im Lauf der Zeit verändern.
 Die Bedeutung von RuinenS.G. Industrieruinen und Randbezirke in Städten könnten Dich
            und andere Künstler veranlassen, das von den Romantikern so
            ausführlich erforschte Ruinenmotiv zu reflektieren. Was denkst
            Du darüber?
 C.A. Meine Verständnis von Ruine ist nicht an die Ruinensymbolik
            der Romantik geknüpft; vielmehr rührt es aus der Vorstellung,
            dass etwas, was zerstört wurde, die Möglichkeit beinhaltet,
            transformiert zu werden, in eine Quelle kreativer Energie verwandelt
            zu werden.
 Der Einfluss BerlinsS.G. Ende der achtziger Jahre hast Du Spanien verlassen, um Dein Studium
              in Berlin abzuschließen, wo Du mit einer ausgesprochen dynamischen
              und sehr anregenden Kunstszene in Kontakt gekommen bist. Auch hast
              Du persönlich historische Ereignisse, etwa den Mauerfall und
              die Neugestaltung Ost-Berlins miterleben können. Hat Dich
              das in Deiner künstlerischen Tätigkeit beeinflusst?
 C.A. Die Wende, der Abbruch, sind Themen, die mich am meisten an Berlin
            gereizt haben. Sowohl vor dem Mauerfall als auch heute habe ich einen
            ständigen Wandel und einen Anpassungsprozess erlebt, die sich
            parallel zu den Veränderungen der Stadt selbst ereignet haben
            und in denen sich die Geschichte, die Politik und die Entwicklung
            der heutigen Welt miteinander vermischt haben. Diesen Prozess vor
            Ort zu erleben, hat meine Arbeit insofern beeinflusst, als dass sie
            zu einer kontinuierlichen Entwicklung geworden ist, zu einer ständigen
            Suche, die meine eigene Sprache gefestigt hat.
 AlexanderplatzS.G. Weiter mit Berlin. Als wir dieses Buch konzipierten, haben wir
              uns etwa viertausend Bilder aus Deinem Archiv angeschaut. Dabei
              fiel mir auf, dass Du viele Fotos vom Fernsehturm am Alexanderplatz
              aus unterschiedlichen Perspektiven und unter unterschiedlichen
              Wetter- und Lichtverhältnissen aufgenommen hast.
 C.A. Ich beschäftige mich mit dem Alexanderplatz seit langem,
            ich finde die Architektur des Turmes faszinierend und auch seine
            Präsenz auf dem Platz, die trotz der Mauer das Bild einer zusammengehörenden
            Stadt vermittelt hat.
 Beziehung zur ArchitekturS.G. In Deinem Werk taucht Architektur auf verschiedene Art und Weise
              auf: als historisches Element, als Kulturmodell, als Muse und mitunter
              als geheimnisvolle Welt, die es zu entdecken gilt.
 C.A. Ich verstehe die Architektur als ein Phänomen, das mit dem
            Menschen eng verbunden ist. Sie ist eine Konstruktion, die die Skala
            der großen wie die der kleinen menschlichen Erwartungen widerspiegelt.
            Wie ein Spiegel reflektiert sie die allgemeine Befindlichkeit der
            Menschheit: jedes einzelne Gebäude stellt all die Individuen
            einer großen Gemeinschaft dar, nämlich die der Stadt.
 Die Architektur ist eine Art Gewebe, das sich wie eine zweite Natur
            verhält, mit eigenen Regeln, die variierende Rhythmen und unterschiedliche
            Erwartungen beinhalten. Dieses Gewebe hat zwei ganz bedeutende Momente,
            und zwar den Tag und die Nacht. Das Antlitz dieses Gewebes ist in
            der Nacht absolut zeitgenössisch, das Verschmelzen beweglicher
            Lichter ist eine Metapher für das Zeitalter der Kommunikation,
            in dem wir uns befinden. Das Licht der Stadt ähnelt dem Inneren
            eines großen Computers, in dem sich die Energieflüsse
            hin und her bewegen.
 Die Projekte im Öffentlichen Raum S.G. Neben den Arbeiten, die auf traditionelle Ausstellungsräume
            ausgerichtet sind, hast Du stets einen anderen Ausdruck gesucht,
            der sich in Form von Installationen im öffentlichen Raum zeigt.
 C.A. Ich arbeite prinzipiell an einem Dialog zwischen Licht, Sprache
            (Wörtern), Formen und städtischen Elementen. Ich versuche
            die Formen so zu verbinden, dass sie einen Dialog mit der sie umgebenden
            Architektur sowie mit ihrem Betrachter herstellen.
 Wenn die Sprache auftaucht, ist sie immer auf eine spezifische Situation
            bezogen; sie ist der Schlüssel, zum Raum selbst, vergänglich,
            in seiner Bedeutung jedoch durch Photoarbeiten in Erinnerung bleibt.
            Die Sprache (als Schrift) ist wie ein Film, etwas Transparentes,
            das die sie umgebende Wirklichkeit eine Zeitlang verändert und
            dann wieder verschwindet. Neben ihrer Funktion in der eigentlichen
            Aktion besitzt sie eine eigene Existenz und ruft in jedem Zuschauer
            individuelle, nicht übertragbare Assoziationen hervor.
 Bedeutung des WortesS.G. Ich finde es interessant, was Du gerade gesagt hast. Könntest
            Du Deinen letzten Gedanken näher erläutern?
 C.A. Das Wort interessiert mich nicht nur wegen seiner Bedeutung, sondern
            auch aufgrund seiner physischen Form, die bei der Interpretation
            des Werkes unterschiedliche Möglichkeiten zuläßt.
 Verhältnis zum LichtS.G. Das Licht, besonders das künstliche, nimmt eine zentrale
            Rolle in Deinem Werk ein. Interessierst Du Dich mehr für seine ästhetische
            oder für seine psychologische Bedeutung?
 C.A. Ich interessiere mich für das Licht als ein Element der Energie,
            als Quelle der Beleuchtung, die es mir möglich macht, etwas
            in Bezug zur Stadt auszudrücken, insofern, als dass sie die
            veränderte Wahrnehmung zwischen Tag und Nacht deutlich macht.
            Der Rhythmus des Lichtes bestimmt auch die Wahrnehmung der Zeit.
            Das künstliche Licht und sein Spiegelung im Raum sind sehr wichtig
            in meinem Werk.
 Ich arbeite häufig im öffentlichen Raum und verwende das
            Licht zwecks Hervorhebung bestimmter Aspekte der Architektur, eines
            Fensters, eines Profils, der Öffnungen eines Gebäudes,
            und um damit vergängliche Aktionen in Gang zu setzen. Sie stellen
            Kommentare zu bestimmten Charakteristika der Architektur dar. Nach
            einer Weile verschwindet ihre physische Erscheinung, jedoch verbleiben
            sie als Erinnerung und als photographisches Bild.
 Bedeutung der FarbenS.G. „’Nicht mehr Licht’, aber ‘farbigeres
            Licht’”, schrieb 1914 der visionäre, in Berlin geborene
            Schriftsteller Paul Scheerbart. Wie er interessierst auch Du Dich
            für Reflexe, die durch Farbkristalle erzeugt wurden. Kannst
            Du den Grund für diese Leidenschaft nennen?
 C.A. Ich verwende Farben unter Berücksichtigung ihrer traditionellen
            symbolischen Bedeutung: Blau als geistiges Element, Rot für
            den Impuls, die Aufmerksamkeit sowie die Leidenschaft und Gelb für
            Licht und Erkenntnis. Und ich kombiniere sie gemäß ihrer
            tieferen Bedeutungen im Werk und ihres Bezugs zur Architektur und
            zur Umgebung.
 Fotografien der ArbeitenS.G. Aus der fotografischen Dokumentation Deiner Installationen entstehen
              oft eigenständige Fotoarbeiten. Ich frage mich, ob Du es schaffst,
              während dieser ‚sessions’ einen Abstand zu dem
              eigentlichen Werk zu gewinnen?
 C.A. Wenn ich meine eigene Arbeiten fotografiere, erreiche ich die
            Distanz, die es mir erlaubt, Bilder aus einer kreativen Situation
            heraus zu schaffen.
 Kommende ProjekteS.G. Kannst Du etwas über das Projekt für die Schweizerische
            Botschaft in Berlin erzählen?
 C.A. Derzeit arbeite ich an einer Installation für die Fassade
            der Schweizerischen Botschaft in Berlin, einem emblematischen Gebäude,
            das sich zwischen dem Reichstag und dem Bundeskanzleramt befindet.
            Meine Intervention verbleibt dort für zwei Monate. Sie besteht
            aus einer roten Neonschrift mit den Worten “mehr Licht”,
            und einem interplay blauer LEDs, die die West-Fassade des Gebäudes
            beleuchten werden. Die Worte „mehr Licht“, die Goethe
            kurz vor seinem Tod gesagt haben soll, sind auf die Lage des Gebäudes
            bezogen, neben dem Regierungssitz und weiteren wichtigen Staatsgebäuden.
            Diese Anbindung soll eine politische Reflexion evozieren, gleichzeitig
            aber auch die ganz individuelle Interpretation hervorrufen. Die derzeit
            im Dunkeln befindliche Fassade wird beleuchtet, im buchstäblichen
            wie im poetischen Sinne.
 Übersetzt von Miriam Bers |